Fortführungswille bei Übernahme eines Vertragsarztsitzes und Verlegung

von Anke Plener

Das SG Marburg hatte in seinem Urteil vom 11. Januar 2017 (S 12 KA 585/16) über die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung zur Genehmigung der Sitzverlegung zu entscheiden. Die Beigeladene betrieb mit einer weiteren Beigeladenen eine BAG. Wegen der Kündigung der Praxisräume und der Schwierigkeit im Auffinden von neuen Praxisräumen begehrte sie die Verlegung um 1,3 km in das benachbarte Gebiet. In diesem Gebiet (anderer Planungsbereich) schrieb die KV zwei Vertragsarztsitze aus. Die Beigeladene beantragte „die Zulassung bei gleichzeitigem Verzicht auf die Zulassung in X-Stadt“. Die Beigeladene begründete dies damit, eine lückenlose Betreuung der Patienten sicherstellen zu wollen und im ursprünglichen Planungsbereich keine adäquaten Praxisräume finden zu können. Im Nachbesetzungsverfahren wurde der ausgeschriebene Vertragsarztsitz durch einen weiteren Beigeladenen nachbesetzt. Dieser übernahm den Sitz unter Anstellung eine weiteren Ärztin. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin erfolglos Widerspruch ein und erhob Klage vor dem SG. Die Klägerin erklärte, die Verlegung des Sitzes der Beigeladenen sei rechtswidrig und verwies auf die Mietproblematik, denn die Beigeladene sei nicht in der Lage, die Patienten ohne Einschränkung in der Versorgungssituation zu übernehmen. Es entstünden höhere Wartezeiten. Aufgrund der Verlegung des Sitzes trete eine spürbare Verschlechterung der Versorgung ein.

Das Sozialgericht gab der Klage statt. An die Fortführung einer Praxis seien nach der Rechtsprechung des BSG strenge Anforderungen zu stellen. Es solle verhindert werden, dass Sitze aufgekauft würden. Ein Grund für eine Nachfolgezulassung bestehe immer dann nicht, wenn die Praxis in Wirklichkeit gar nicht veräußert werden solle, weil jedenfalls der neue zuzulassende Arzt nicht fortführen könne oder wolle. Der Bewerber müsse die Praxis nicht nur fortführen können, sondern auch fortführen wollen. Fortführen bedeute, dass die Tätigkeit am bisherigen Praxisort fortgesetzt werde.

In räumlicher Hinsicht bedeute dies grundsätzlich, dass der Nachfolger auf Dauer die bisherigen Patienten in denselben Praxisräumen mit Unterstützung desselben Praxispersonals und mit derselben medizinisch-technischen Infrastruktur behandeln wolle (räumliche Komponente). Eine solche Fortführung werde daher schon dann nicht angestrebt, wenn ein Bewerber lediglich die vertragsärztliche Tätigkeit im selben medizinischen Fachgebiet und im selben Planungsbereich wie der ausscheidende Vertragsarzt ausüben wolle (BSG, Urt. v. 11.12.2013 – B 6 KA 49/12). Bei einer geplanten zulässigen Praxisverlegung unmittelbar nach Übernahme müsse darauf abgestellt werden, ob der Patientenstamm an der neuen Praxisadresse gehalten werden solle und könne. Die Zulassungsgremien müssten daher bei der Auswahl des Nachfolgers auch den Umstand berücksichtigen, ob eine bestimmter Bewerber deutlich mehr die prognostische Gewähr für eine länger dauernde kontinuierliche Patientenversorgung (Versorgungskontinuität) biete.

 

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