Ersatz für Anwaltskosten?

von Dr. Ilja Selenkewitsch

Die eigene Versicherung muss bei außergerichtlicher und einfach gelagerter Schadensregulierung unter Umständen nicht die Kosten für den eigenen Anwalt zahlen.

Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 8.5.2012 – VI ZR 196/11) musste zu dem Problem Stellung nehmen, ob ein Kfz-Unfallgeschädigter seine eigenen außergerichtliche Kosten für seinen Anwalt, den er damit beauftragt hatte, außergerichtlich seine Forderungen gegenüber seiner eigenen Kfz-Vollkaskoversicherung geltend zu machen, von eben dieser Versicherung ersetzt erhält. Beauftragt ein Mandant seinen Anwalt mit der außergerichtlichen Regulierung eines Schadens, entsteht eine Geschäftsgebühr gem. Ziff. 2300 VV RVG. Im vorliegenden Fall traf den Geschädigten aber eine 50%-ige Mitschuld an dem Unfall, so dass der Unfallschaden zwischen den Unfallparteien zu 50% zu quoteln war. Der Geschädigte wollte nun seine Kosten für die Beauftragung seines Anwalts, die entstanden waren, weil sein Anwalt gegenüber der eigenen Vollkaskoversicherung Forderungen erhoben hatte, ebenfalls zu 50% von seiner eigenen Vollkaskoversicherung zurückfordern.

Sowohl das Amts- als auch das Landgericht wiesen die Klage des Geschädigten gegen seine eigene Vollkaskoversicherung ab, das Landgericht ließ aber die Revision beim Bundesgerichtshof zu, um die Frage klären zu lassen, ob der Geschädigte gegen den Schädiger und gegenüber der eigenen Vollkaskoversicherung des Geschädigten einen Erstattungsanspruch wegen der außergerichtlichen Anwaltskosten wegen einer einfachgelagerten Geltendmachung des Schadens besitzt. Mit der Revision verfolgte der Geschädigte sein Ziel, Ersatz der Unfallschäden gegen seine eigene Vollkaskoversicherung im Zusammenhang mit den Anwaltskosten zu erlangen.

Der Bundesgerichtshof unterschied in seiner Entscheidung vom 8.5.2012 zwischen dem Innenverhältnis des Geschädigten zu dem von ihm beauftragten Anwalt auf der einen und dem Außenverhältnis des Geschädigten zum Schädiger auf der anderen Seite. Um einen Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten zu haben, müsse der Geschädigte zum einen verpflichtet sein, im Innenverhältnis die Anwaltskosten zu zahlen und zum anderen müsse diese Anwaltstätigkeit im Außenverhältnis aus dem Blickwinkel des Geschädigten sowie unter Berücksichtigung seiner konkreten Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte sowohl erforderlich als auch zweckmäßig sein.

Das Landgericht hatte vor der Revision für den Bundesgerichtshof verbindlich festgestellt, dass ein einfach gelagerter Schadensfall vorlag, bei dem der Geschädigte zunächst noch allein seinen ihm entstandenen Schaden gegenüber der Kfz-Haftpflichtversicherung des Schädigers gegenüber geltend gemacht hatte. Weil diese jedoch den Ersatz der geltend gemachten Schäden abgelehnt hatte und nach § 115 Versicherungsvertragsgesetz mit der Erfüllung der ihr kraft Gesetz obliegenden Leistungsverpflichtung in Schuldnerverzug geraten war, beauftragte der Geschädigte seinen Anwalt, der dann sofort die Ansprüche des Geschädigten gegenüber der eigenen Vollkaskoversicherung durchsetzen sollte. Für den Bundesgerichtshof war aber unverständlich, weshalb der Geschädigte vor Beauftragung seines Anwalts nicht versucht hatte, in Eigenregie und noch ohne anwaltlichen Beistand, seine Ansprüche gegenüber seiner Vollkaskoversicherung anzumelden und diese zur Schadensregulierung aufzufordern. Allein aus dem Umstand, dass die Kfz-Haftpflichtversicherung des Schädigers eine Regulierung abgelehnt hätte, hätte der Geschädigte noch nicht schlussfolgern dürfen, dass auch seine eigene Vollkaskoversicherung den Schadensersatz ablehnen würde. Für eine solche ablehnende Haltung seiner eigenen Vollkaskoversicherung hätten keinerlei Anhaltspunkte bestanden. Ferner sei es dem Geschädigten wegen der Weigerung der gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherung zur Regulierung auch keineswegs unzumutbar geworden, den Schaden seiner eigenen Vollkaskoversicherung ohne anwaltliche Hilfe regulieren zu lassen. Die Ablehnung der gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherung wirke sich nicht auf die Versicherungsvertragsbeziehungen zwischen dem Geschädigten und seiner Vollkaskoversicherung aus. Deshalb habe der Geschädigte gegenüber seiner eigenen Vollkaskoversicherung auch keinen Anspruch auf Ersatz der ihm entstandenen Anwaltskosten, weil sie zur Wahrnehmung seiner Rechte keinesfalls erforderlich gewesen seien.

Der Bundesgerichtshof hat mit dieser Entscheidung endgültig die lange umstrittene und kontrovers diskutierte Frage verneint, ob in einfachen Fällen die außergerichtlichen Anwaltskosten eines Geschädigten zur Geltendmachung von Schadensersatz gegenüber der eigenen Vollkaskoversicherung vom Schädiger und Unfallgegner zu ersetzen sind.

Der Bundesgerichtshof hat allerdings noch keine Entscheidung getroffen, ob der Geschädigte in derartigen Konstellationen vom Schädiger und Unfallgegner nicht doch eine Beratungsgebühr nach § 34 Abs. 1 RVG (nicht also Geschäftsgebühr) verlangen kann, wenn der Anwalt den Geschädigten vorrangig rät, seine eigene Vollkaskoversicherung in Anspruch zu nehmen, weil eine Rückstufung zwar über einen bestimmten Zeitraum zu höheren Versicherungsprämien führt, dies im Ergebnis für den Geschädigten jedoch „preiswerter“ und daher wirtschaftlich sinnvoller ist, als den Schaden selbst zu tragen. Diese Beratungsgebühr wird auch vom Bundesgerichtshof als erforderlich und zweckmäßig angesehen, weil Geschädigte in solchen Situationen oft nicht ihr Quotenvorrecht kennen, also nicht wissen, dass sie gegenüber ihrer Versicherung die Wahl haben, eine für sie günstigere Abrechnungsmethode zu fordern.

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