Kündigung des Chefarztes eines katholischen Krankenhauses wegen Wiederverheiratung nicht gerechtfertigt

von Anke Plener

Ein katholisches Krankenhaus durfte einen ihrer Chefärzte nach dessen Wiederverheiratung nicht kündigen. Dies entscheid nun das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 20. Februar 2019 (Az.: 2 AZR 746/14). Ein der römisch-katholischen Kirche verbundenes Krankenhaus dürfe seine Beschäftigten in leitender Stellung bei der Anforderung, sich loyal und aufrichtig im Sinne des katholischen Selbstverständnisses zu verhalten, nur dann nach ihrer Religionszugehörigkeit unterschiedlich behandeln, wenn dies im Hinblick auf die Art der betreffenden beruflichen Tätigkeiten oder die Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstelle, heißt es in der Begründung.

Die Beklagte ist Trägerin von Krankenhäusern und institutionell mit der katholischen Kirche verbunden. Der katholische Kläger war bei ihr als Chefarzt beschäftigt. Die ie Vertragsparteien schlossen den Dienstvertrag unter Zugrundelegung der vom Erzbischof von Köln erlassenen Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 23. September 1993 (GrO 1993). Nach Art. 5 Abs. 2 GrO 1993 handelte es sich u. a. beim Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe um einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß, der eine Kündigung rechtfertigen konnte. Der Kläger war nach katholischem Ritus verheiratet. Nach der Scheidung von seiner ersten Ehefrau heiratete er im Jahr 2008 ein zweites Mal standesamtlich. Nachdem die Beklagte hiervon Kenntnis erlangte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.09.2009. Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner Kündigungsschutzklage. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht gaben der Klage statt. Über ein in diesem Verfahren ergangenes Vorabentscheidungsersuchen des BAG zum Inhalt und zur Auslegung des Unionsrechts entschied der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 11. September 2018.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Die Kündigung sei nicht durch Gründe im Verhalten oder in der Person des Klägers sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG). Mit seiner Wiederverheiratung habe der Kläger weder eine wirksam vereinbarte Loyalitätspflicht noch eine berechtigte Loyalitätserwartung der Beklagten verletzt. Die Vereinbarung im Dienstvertrag der Parteien, mit der die GrO 1993 in Bezug genommen wurde, sei gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam, soweit dadurch das Leben in kirchlich ungültiger Ehe als schwerwiegender Loyalitätsverstoß bestimmt sei. Diese Regelung habe den Kläger gegenüber nicht der katholischen Kirche angehörenden leitenden Mitarbeitern wegen seiner Religionszugehörigkeit und damit wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt, ohne dass dies nach § 9 Abs. 2 AGG gerechtfertigt wäre. Dies folge aus einer unionsrechtskonformen Auslegung des § 9 Abs. 2 AGG, jedenfalls aber aus dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts. Die Loyalitätspflicht, keine nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der katholischen Kirche ungültige Ehe zu schließen, sei im Hinblick auf die Art der Tätigkeiten des Klägers und die Umstände ihrer Ausübung keine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung gewesen.

 

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