Nachzahlungen für Psychotherapeuten in Ausbildung (PIA) – Ende der unbezahlten „Generation Praktikum“?

von Dr. Ilja Selenkewitsch

Frischer Wind weht durch alte Stuben: Das Landesarbeitsgericht Hamm (Urteil vom 31.12.2012, Az.: 11 Sa 74/12) unterbindet die traditionelle Praxis von Arbeitgebern, Psychotherapeuten, die in einer Klinik zur Berufsausbildung zwingend „praktische Tätigkeiten“ absolvieren musste, unentgeltlich arbeiten zu lassen und die „Ausbeutung“ unter dem Deckmäntelchen der „beruflichen Fortbildung“ tarnen wollen. Das Gericht entschied, dass der bisher übliche Brauch nach § 138 BGB sittenwidrig sei und sprach der Therapeutin eine monatliche Vergütung in Höhe von 1.000,00 über zwölf Monate Euro zu.

Eine psychiatrische Klinik ließ eine Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin ein Jahr lang unentgeltlich arbeiten, damit diese die für sie notwendige berufliche Fortbildung nachweisen konnte. Die Klinik durfte hierfür eine Vergütung oder Aufwandsentschädigung zahlen, obwohl sie dies nicht musste. Im entschiedenen Fall zahlte die Klinik der jungen Therapeutin nichts. Diese unentgeltliche Beschäftigung der Therapeutin, die bei ihrer Tätigkeit eine hohe Verantwortung trug, sah das Gericht jedoch als sittenwidrig an. Das Landesarbeitsgericht Hamm ließ aber die Revision beim Bundesarbeitsgericht zu, so dass die Angelegenheit noch nicht rechtskräftig entschieden ist.

Im Oktober 2012 hatte das Arbeitsgericht Hamburg (Urteil vom 16.10.2012, Az.: 21 Ca 43/12) einer „Praktikantin“ in einer ähnlichen Situation ebenfalls Recht gegeben und die psychotherapeutische Klinik nachträglich sogar zur Zahlung des Tariflohnes (der deutlich über den 1.000,00 Euro, die das Landesarbeitsgericht Hamm zugesprochen hat, liegen, und zwar bei 33.460,20 Euro) verurteilt. Das Arbeitsgericht Hamburg meinte, es habe sich bei der Tätigkeit der Therapeutin nicht um ein Praktikum, sondern um ein Arbeitsverhältnis gehandelt; der Ausbildungszweck sei eindeutig nachrangig gewesen.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch ein Hinweis auf die allgemeine Regelverjährung, nach der ein Anspruch nach drei Jahren verjährt. Klagt also ein unbezahlter „Praktikant“, dem ähnliches widerfahren ist, nun nachträglich auf Vergütung, muss er spätestens bis zum 31. Dezember 2013 solche Lohn- und Gehaltsansprüche geltend machen, die irgendwann im Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2011 entstanden sind.

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