Private Krankenkasse muss Kryokonservierung (Einfrieren) von Spermien zahlen

von Dr. Ilja Selenkewitsch

Das Amtsgericht Stuttgart entschied durch Beschluss vom 2. Januar 2013 (Az.: 4 C 5228/12), dass eine private Krankenversicherung einem männlichen Versicherten die Kosten für das Einfrieren von Sperma sowie die Miete des dafür erforderlichen Behältnisses für sechs Monate zahlen muss.

Bei dem männlichen Patienten bestand der ärztlich begründete Verdacht auf Krebs an einem Hoden. Um diesem Verdacht nachzugehen, sollte sich der Patient einer Operation unterziehen. Bei dieser Operation wird der verdächtige Hoden „freigelegt“. Ein Pathologe untersucht noch während der laufenden Operation mit einem „Schnellschnitt“, ob das Gewebe von einem Tumor befallen ist. Gegebenenfalls wird auch der andere Hoden mit untersucht (Biopsie). Der Patient muss sich im Vorfeld der Operation einverstanden erklären, dass ihm während der Operation vollständig ein oder sogar beide Hoden entnommen werden, wenn der Schnellschnitt zu einem entsprechenden Ergebnis gelangt. Vor der Operation weiß der Patient also nicht, ob er mit zwei, mit einem oder mit keinem Hoden mehr aufwachen wird; ohne Hoden wäre der Patient nicht mehr zeugungsfähig (fertil) gewesen.

Um seine Fertilität für die Zukunft zu bewahren, entschloss sich der Patient, seine Spermien in einem Fertilitäts- und Reproduktionszentrum einfrieren und aufbewahren zu lassen. Dem Versicherungsvertrag mit der privaten Krankenkasse nach ist diese verpflichtet, bei einer Krankheit dem versicherten Patienten gegenüber diejenigen Aufwendungen zu erstatten, die im Rahmen einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung entstehen. Die private Krankenkasse lehnte eine Kostenübernahme für das Einfrieren des Spermas außergerichtlich zunächst ab, woraufhin der Patient die verauslagten Kosten für die Spermienasservierung beim Amtsgericht Stuttgart einklagte. Nach Klageerhebung zahlte die Krankenkasse „aus Kulanz“ und ohne inhaltliche Einwendungen erhoben zu haben sowohl die vorverauslagten Kosten des Einfrierens als auch die außergerichtlichen Anwaltskosten des Versicherten. Nach einseitiger Erledigungserklärung durch den Versicherten (weil er die verauslagten Kosten für das Einfrieren erstattet bekommen hatte, fehlte es an einem Grund, das Gerichtsverfahren weiterzubetreiben), entschied das Gericht durch Beschluss, dass die private Krankenversicherung auch die übrigen Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Das Gericht war der Ansicht, dass die private Krankenversicherung – wenn sie nicht gezahlt und der Rechtsstreit bis zum Ende hätte durchgeführt werden müssen – voraussichtlich unterlegen wäre. Die private Krankenkasse habe die Kosten der Kryokonservierung ohne inhaltliche Einwendungen gezahlt und dadurch zum Ausdruck gebracht, dass die Forderung des Versicherten berechtigt war.

Der Patient unterzog sich letztlich nicht der Operation und später stellte sich heraus, dass kein Hodenkrebs vorlag, sondern möglicherweise eine Virusinfektion die Ursache für die veränderte Gewebestruktur war. Der Patient gesundete vollständig.

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