Verbot der Überbeschleunigung im Arzthaftungsrecht/Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör

von Anke Plener

Im Arzthaftungsrecht ist den Parteien jeweils ausreichend Zeit einzuräumen, um eine sachlich fundierte Äußerung zu entscheidungserheblichen Sachverhalten und zur Rechtslage zu tätigen. Es gilt das Verbot der Überbeschleunigung, so der BGH mit Beschluss vom 15. Mai 2018 (VI ZR 2 87/19).

Die Parteien stritten im Wesentlichen um materielle Fragen zur Arzthaftung. Kernstreit war die primär konservative und sodann operative Versorgung einer Tibia- und Fibulafraktur. Das OLG erteilte im Berufungsverfahren einen 15- seitigen Hinweisbeschluss, teilte mit, es beabsichtige, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und setzte eine Stellungnahmefrist von drei Wochen, verbunden mit dem Hinweis, Fristverlängerungen würden in der Regel nicht gewährt, sondern seien auf Ausnahmefälle beschränkt. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragte eine Fristverlängerung und teilte mit, sein Jahresurlaub stehe an und er habe bisher noch keine Rücksprachemöglichkeit mit dem Kläger gehabt. Er könne sich nicht ordnungsgemäß auf den 15 seitigen Beschluss erklären. Das OLG gewährte die Fristverlängerung nicht und verwarf die Berufung. Hiergegen richtete sich die Nichtzulassungsbeschwerde, die im Ergebnis Erfolg hatte.

Der BGH vertrag die Auffassung, der Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt worden. Eine solche Gehörsverletzung liege immer dann vor, wenn die vom Gericht gesetzte Frist objektiv nicht ausreiche, um innerhalb der Frist eine sachlich fundierte Äußerung zum Sachverhalt und zur Rechtslage abzugeben. Eine urlaubsbedingte Ortsabwesenheit sowie die Notwendigkeit eines weiteren Gespräches seien ein erheblicher Grund zur Gewährung einer Fristverlängerung. Dem hätte das OLG nachkommen müssen, was nicht geschehen sei. Vielmehr habe das OLG lediglich pauschale Ausführungen getätigt, ohne sich auch nur ansatzweise mit dem erheblichen Vorbringen des Prozessbevollmächtigten zu befassen.

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